Ihrer Zeit voraus!
Sonderausstellung mit Werken von Heinrich Campendonk, Heinrich Nauen und Thorn Prikker im Clemens Sels Museum Neuss.
In einer Sonderausstellung befasst sich das Clemens-Sels-Museum mit drei Künstlerpersönlichkeiten der Moderne aus der Region. Von Sonntag, 18. November 2018, bis zum 10. März 2019, zeigt das Haus Am Obertor Werke von Johan Thorn Prikker, Heinrich Camendonk und Heinrich Nauen.
In diesem Jahr wäre Johan Thorn Prikker (1868–1932) 150 Jahre alt geworden. Auch der Einbau seiner revolutionären Glasfenster in die Dreikönigenkirche in Neuss jährt sich 2019 zum 100. Mal. Aufgrund ihrer Expressivität, die einen radikalen Bruch mit der traditionellen Glaskunst bedeutete, ging der offiziellen Übergabe an die Öffentlichkeit eine lange und äußerst kontrovers geführte Diskussion voraus, die weit über Neuss hinausreichte und beispielhaft für das erbitterte Ringen um die Moderne in Deutschland steht. Diese beiden Begebenheiten bilden den Anlass, die Entwicklung und Durchsetzung der modernen Kunst im Rheinland nachzuzeichnen und ihren Einfluss und Stellenwert innerhalb Europas neu zu beleuchten.
Die Stadt Neuss zählte damals neben Düsseldorf, Köln, Krefeld und Hagen zu den kulturellen Keimzellen an Rhein und Ruhr, die als äußerst innovativ und zukunftsweisend und weit über ihre Grenzen hinaus als europäisch vernetzt galten. Der Niederländer Johan Thorn Prikker, sein Schüler Heinrich Campendonk (1889–1957) und der mit beiden befreundete Heinrich Nauen (1880–1940) hatten sich in Krefeld kennengelernt und waren einander zeitlebens eng verbunden. Sie knüpften weitreichende Kontakte zu Kollegen, Mäzenen und Auftraggebern, die zentrale Werke ermöglichten und damit entscheidenden Einfluss auf ihren Werdegang nahmen. Die drei Künstlerpersönlichkeiten stehen exemplarisch für eine höchst umstrittene Moderne, die zwischen Symbolismus, Expressionismus und Abstraktion oszilliert. Erst die Skandale und öffentliche Ablehnung ihrer Kunst haben maßgeblich zur späteren Anerkennung der heute etablierten Künstler beigetragen.
Dabei spielte das von ihnen propagierte und angestrebte Gesamtkunstwerk eine entscheidende Rolle. Johan Thorn Prikker und auch Peter Behrens (1868–1940) unterrichteten an den Kunstgewerbeschulen in Krefeld, Köln und Düsseldorf, wo sie innovative Lehrkonzepte entwickelten, in denen das Zusammenwirken von Kunst und Handwerk und damit ein zentraler Gedanke des späteren Bauhauses verfolgt wurde. Behrens war nicht nur ein bedeutender Architekt, sondern auch wegweisender Gestalter für Industrie, Gewerbe und Kunsthandwerk. Er war der führende Kopf im „Deutschen Werkbund“, der, 1907 gegründet, nach einer Veredelung der gewerblichen Arbeit im Zusammenwirken von Kunst, Industrie und Handwerk strebte. Dem „Werkbund“ traten später auch Thorn Prikker und Campendonk bei. Nauen war ebenfalls auf dessen Ausstellungen vertreten und griff auf das weitverzweigte und einflussreiche Netzwerk zurück, um an Aufträge zu gelangen.
Jenes Streben nach einer Symbiose von freier und angewandter Kunst zu einem Gesamtkunstwerk war um 1900 international virulent und basierte auf der damaligen Reformbewegung und ihrer Vision von einer neuen Einheit von Kunst und Leben. Das Verständnis vom Künstler in seiner Doppelrolle als Maler und Entwerfer verband auch Thorn Prikker, Campendonk und Nauen, die die Gattungsgrenzen aufhoben und ein Zusammenwirken von Gemälden und Zeichnungen über Glasfenster und Wandbilder bis hin zu Mosaiken, Möbeln und Stoffen verfolgten. Dabei wollten auch sie – ganz im Sinne des „Deutschen Werkbunds“ und der reformorientierten Kräfte – der Gesellschaft dienen und zur ästhetischen und moralischen Geschmacksbildung des Einzelnen beitragen. Diesem zentralen Aspekt geht die Ausstellung erstmals anhand der Freundschaft und wechselseitigen Einflussnahme von Johan Thorn Prikker, Heinrich Campendonk und Heinrich Nauen nach und stellt ihr Schaffen in seiner Vielfalt und seinem Facettenreichtum vor.