29.09.1999 - Modellprojekt zur Integration von Flüchtlingen entlastet städtischen Sozialhilfeetat
Ein Projekt zur Integration von Flüchtlingen konnte jetzt in der Stadt Neuss...
... mit Erfolg abgeschlossen werden. Durch die Maßnahme, die der Neusser Sozialdezernenten Peter Söhngen als Pilotprojekt für kommunale Verwaltungen in Deutschland bezeichnete, gelang es, 25 von 33 am Projekt teilnehmenden Flüchtlingen in den ersten Arbeitsmarkt zu vermitteln und somit aus der Sozialhilfe herauszuholen. Das auf zwei Jahre angelegte Intergrationsprojekt wurde von der Europäischen Union und vom Land Nordrhein-Westfalen zu 55 bzw. 45 Prozent finanziell gefördert. Ausserdem flossen Mittel von Kreis und Stadt Neuss.
Die Projektteilnehmer waren in der Mehrzahl Flüchtlinge aus dem Irak, die aufgrund der Situation in ihrer Heimat auf Dauer ein Bleiberecht in Deutschland haben. Alle Teilneh-mer galten zunächst als auf dem ersten Arbeitsmarkt schwer oder nicht vermittelbar. Mit Hilfe eines neuartigen Modulprogramms gelang es jedoch, viele der Sozialhilfeempfänger in Arbeit zu bringen und andere in eine Ausbildung zu vermitteln. Das innovative Modulprogramm verbindet Methoden klassischer Sozialarbeit mit gruppendynamischen Aspekten des Coachings, aber vor allem mit speziell auf die Zielgrup-pe ausgerichtetem Sprachunterricht und individuell ausge-wählten Betriebspraktika. Durchgeführt wurde das Programm in Kooperation mit europäischen Projektpartnern in den Niederlanden und Schweden. Die dort zum Teil schon etablierten Ansätze in der Integrationsarbeit wurden auf die Situation in Neuss übertragen und deutschen Rah-menbedingungen angepasst. Der Projektunterricht erfolgte täglich in der Zeit zwischen 8 und 16 Uhr.
Bei den Projektteilnehmern handelte es sich um sogenannte traumatisierte Flüchtlinge, deren physische und psychische Schwieigkeiten als Resultat der Erlebnisse im Heimatland und nach der Flucht auch wissenschaftlich nachgewiesen wurden. Die wissenschaftliche Aufarbeitung des Projekts durch Projektleiterin Birgit Wolandt-Pfeiffer und Cinur Ghaderi findet sich in einem „Handbuch zur sozio-ökonomischen Integration von Flüchtlingen und Sozialhilfeempfängern“ veröffentlicht. Das Handbuch eignet sich, so die Verfasser, als Arbeitsgrundlage für weitere Projekte in diesem Bereich. Es kann gegen eine Schutzgebühr von zehn Mark bei der Stadt Neuss, Bereich Soziale Leistungen und Beschäftigungsförderung, angefordert werden.
Eine Wirtschaftlichkeitsberechnung belegt, dass das Projekt rentabel arbeitete und bei der Stadt Neuss (beziehungsweise dem Kreis Neuss als örtlichem Träger der Sozialhilfe) Einsparungen in der Sozialhilfe erreicht werden konnten.
Für fast alle ProjektteilnehmerInnen sieht das Leben nach der Teilnahme an dem Integrationsprojekt anders aus als vorher: Sie haben nun Arbeit oder qualifizieren sich weiter, ihre Familien sind besser in Neuss integriert, und sie haben viel Deutsch gelernt. Als Beispiel sei hier das Schicksal ei-nes jungen, sehr schüchternen Flüchtlings aus einer kleinen irakischen Stadt genannt. Seine Familie war zum Teil im Irak umgekommen, zum Teil noch auf der Flucht, als er in Neuss ankam. Er konnte - wie er später sagte - zunächst keinen klaren Gedanken fassen und sprach kaum mit den anderen ProjektteilnehmerInnen. Nur langsam lernte er Deutsch, und noch langsamer wuchs sein Interesse an seiner Umgebung. Erst schien es, daß er in seinem gelernten Beruf als Mechaniker nie wieder würde arbeiten können, so groß war seine Scheu gegenüber fremden Personen. Nach viel persönlichem Training, nach mehreren Praktika und sehr viel Deutschunterricht arbeitet er nun wieder in seinem Beruf, hat einen unbefristeten Vertrag und will nun eine Familie gründen.
Wie Sozialdezernent Peter Söhngen mitteilte, hat der erfolgreiche Abschluss des Projekts zur Integration Irakischer Flüchtlinge in Neuss unmittelbar zu einem Nachfolgeprojekt für Emigranten, Aussiedler und deutsche Mitbürger geführt. Es trägt den Titel „SIB - Soziokulturelle Integration und Beschäftigung“.
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Weitere Informationen:
Hans Peter Oebel, Leiter des Bereichs Soziale Leistungen und Förderung der Stadt Neuss,
Telefon 02131/905000.
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