10.08.2001 - Kunst und Künstler um Gottfried Heinersdorff

„Glühender Rhythmus reiner Farben“, schrieb ein Kritiker 1913 über die Kunst nicht auf Glas,...

...sondern mit Glas zu malen. „Solches Handwerk hat uns Gottfried Heinersdorff wieder erobert und außerdem verstanden, starke Künstler zu begeistern, dass sie ihm Pläne für solche gläserne Architektonik ersannen“. Die Ausstellung „Farblicht“ des Clemens-Sels-Museums beschäftigt sich mit dieser Glasmalerei, im Mittelpunkt steht ein Künstler und sein Wirkungskreis: Der Glasmaler Gottfried Heinersdorff (1883-1941).

Im Mittelpunkt der Ausstellung steht das reformerische Wirken von Gottfried Heinersdorff. Er prägte nachhaltig das künstlerische Leben in Deutschland – zunächst als alleiniger Eigentümer der Berliner Werkstätten für Glasmalerei und nach der Fusion mit Puhl & Wagner von 1914 bis 1934 als künstlerischer Leiter der „Vereinigten Werkstätten“. Die „Farblicht“-Ausstellung dokumentiert zum ersten Mal in einem umfassenden Überblick – mit  zum Teil unveröffentlichten Arbeiten – die fruchtbare Zusammenarbeit des gelernten Glasmalers mit den Künstlern seiner Zeit und stellt gleichzeitig Heinersdorffs ehemalige Privatsammlung in den noch rekonstruierbaren Teilen vor.
Entwürfe für Glasmalereien und Mosaikbilder sowie deren Ausführungen, ferner freie Arbeiten – Gemälde, Handzeichnungen und Druckgraphiken – von Künstlern wie Max Pechstein, Karl Schmidt-Rottluff, Johan Thorn Prikker, Heinrich Campendonk, Cesar Klein, Jacoba van Heemskerck, Josef Albers und anderer lenken den Blick auf einen Bereich, der in den letzten Jahren wenig Beachtung gefunden hat.

Die reformerischen Bestrebungen innerhalb der sakralen und profanen Glasmalerei und Mosaikkunst Anfang des 20. Jahrhunderts korrespondieren mit der Bildauffassung und den Gestaltungsabsichten der avantgardistischen Künstler. Sie lehnten jeglichen abbildhaften Illusionismus ab. Glas und Bild wurden zum Sinnträger einer zweiten Wirklichkeit. Die Sehnsucht nach geistiger Durchdringung der materiellen Welt konnte grade mit der Gestaltungstechnik der so genannten „musivischen“ Glasmalerei konkretisiert werden.
Die Zusammenführung von Handwerk und zeitgenössischer Kunst bedeutete auch eine Rückbesinnung auf die große Wirkung mittelalterlicher Kathedralkunst. Die sakrale Architektur wurde so ein zentrales Aufgabengebiet für die reformerischen Bestrebungen von Heinersdorff. Der Entwicklungsweg seiner Firmenprodukte führte formal vom Expressionismus zur geometrischen Abstraktion. Vor allem seine frühe Zusammenarbeit mit dem holländischen Künstler Johan Thorn Prikker, der 1911 Fenster für die Dreikönigenkirche in Neuss entwarf, deren kongeniale Ausführung durch Heinersdorff auf der Deutschen Werkbundausstellung in Köln 1912 gezeigt wurde, erlangte in Kunstkreisen Berühmtheit.

Die Ausstellung – ein Gemeinschaftsprojekt des Kunst-Museums Ahlen, des Edwin Scharff Museums Neu-Ulm und des Clemens-Sels-Museums Neuss – wird von einem umfangreichen Katalog begleitet. Er informert über die profane Glasbildkunst, die Wiederbelebung und Erneuerung sakraler Glasmalerei, über das zeitgenössische Umfeld avantgardistischer Kunst, insbesondere in Berlin, und nicht zuletzt über die Firmengeschichte und die Person Gottfried Heinersdorff. Für 39 Mark kann er im Clemens-Sels-Museum erworben werden.
Die Ausstellung, die vom Donnerstag, 16. August 2001, bis Sonntag, 18. Oktober 2001, dauert, ist täglich – außer montags – von 11 bis 17 Uhr, donnerstags von 11 bis 20 Uhr, geöffnet.
*