22.11.2005 - Marc Chagall: Clemens-Sels-Museums zeigt Radierungen und Farblithographien zur Bibel

Neuss (PN/kl). „Weisheit und Geheimnis - Die Bibel von Marc Chagall“ ist eine Ausstellung im Clemens-Sels-Museum betitelt, die das Neusser Haus am Obertor vom 20. November 2005 bis zum 19. Februar 2006 in seinen Räumen zeigt.

Zu sehen sind beeindruckende Radierungen und Farblithographien des vor 20 Jahren verstorbenen Künstlers zu Themen des alten Testaments.
Das Clemens-Sels-Museum ist im Besitz von 68 Radierungen zur Bibel von Marc Chagall, die als Einzelblätter in den 1950er Jahren, noch vor bzw. kurz nach der Herausgabe der beiden Bände „Bible, Eaux-fortes originales de Marc Chagall“ durch den Verleger Tériade 1956 in Paris, zufällig in den Handel gerieten. Die ersten 30 Blätter erwarb das Clemens-Sels-Museum in den Jahren 1952 bis 1955 in Stuttgart, München und Paris, 38 weitere Radierungen konnten 1956 und 1957 angekauft werden. Unter diesen 68 Einzelblättern befinden sich neun Zustandsdrucke, sechs von diesen zeigen die noch unbeschnittene, größere Platte.
Vor 50 Jahren, ein Jahr vor dem Auflagendruck von Tériade, richtete das Clemens-Sels-Museum eine kleine Ausstellung mit den neuerworbenen 30 Radierungen aus, deren Begleitpublikation seit langem vergriffen ist.

Anläßlich des 20.Todestages von Marc Chagall zeigt das Clemens-Sels-Museum seine 68 Radierungen zur Bibel, zusammen mit der ersten Doppelnummer der Zeitschrift VERVE „Bible“ aus 1956 und einer Folge von 24 Farblithographien aus der zweiten Doppelnummer der Zeitschrift VERVE „Dessins pour la Bible”, die Tériade 1960 in Paris edierte. Hinzu kommen Leihgaben aus Privatbesitz: die beiden von Tériade 1956 verlegten Bände „Bible, Eaux-fortes originales de Marc Chagall“, Exemplar Nr. 173, Bd. 1 mit 33 Doppelblättern und 57 Radierungen, Bd. 2 mit 29 Doppelblättern und 48 Radierungen, die einen Vergleich mit den Neusser Zustandsdrucken ermöglichen, sowie die Buchausgabe der VERVE aus dem Jahr 1960.

Marc Chagall beschäftigte sich über 25 Jahre lang mit der Bibel, den Büchern des Alten Testaments. 1930 erhielt er von dem Kunsthändler und Verleger Ambroise Vollard in Paris den Auftrag, die Bibel zu illustrieren. 1931 bis zu Vollards Tod 1939 entstanden die insgesamt 105 Platten, von denen 66 Radierungen in der Werkstatt von Maurice Potin unter der Anleitung des Künstlers bis 1939 abgezogen wurden. Die Arbeit an den noch nicht ausgeführten 39 Radierungen nahm Chagall erst nach seiner Emigration in die USA (1941-1946) wieder auf. 1947 nach Paris zurückgekehrt, stellte er diese in der Werk¬statt und unter Mitarbeit von Raymond Haasen von 1952 bis 1956 fertig. Noch in demselben Jahr wurden die 105 Radierungen in zwei Bänden von dem Verleger Tériade in einer Auflage von 295 Exemplaren herausgegeben, zusammen mit Aus¬zügen aus der hebräischen Bibel in der französischen Übersetzung von Pastoren und Professoren der Genfer Kirche, die 1638 in Genf erschien. Außerdem wurden 100 Mappen herausgegeben, die alle Radierungen zur Bibel - auf Velin d‘Arches gedruckt - enthalten, von Chagall handkoloriert, signiert und numeriert. Das Clemens-Sels-Museum besitzt ein Exemplar (Blatt 34a) dieser Ausgabe.
Mit seinen Illustrationen, die eigenständige, zuweilen sogar textwidrige freie Bildschöpfungen sind, verfolgt Marc Chagall kein dogmatisch-theologisches Konzept, sondern ein sehr persönliches, in welchem sich deutlich seine ostjüdisch-chassidische Glaubensherkunft ausspricht. Nach der Erschaffung des Menschen widmet sich Chagall unmittelbar den Urvätern, den Patriarchen Noah, Abraham, Isaak, Jakob, Joseph und Mose, den Gründern der jüdischen Gemeinde, die von Jahwe den Bundespakt und das Gesetz empfängt. Auch diejenigen, die die Errichtung der jüdischen Nation vollendet haben, Josua, Simson, David und Salomon, werden von Chagall eindringlich geschildert. Die unmittelbare Gotteserfahrung der Propheten, durch die Jahwes Vorsehung das erwählte Volk leitet, ruft Chagall mit den ausdrucksstarken Darstellungen der Propheten Elia, Jesaja, Jeremia und Hesekiel und ihrer Visionen auf. Die Arbeit an und mit der Bibel bedeutete einen neuen Abschnitt in Chagalls künstlerischem Schaffen. Bis zu seinem Tod 1985 gestaltete und interpretierte er unablässig die in der jüdischen Bibel aufbewahrten Grunderfahrungen des Menschen mit sich selbst, dem Mitmenschen und mit Gott. Chagalls druckgraphi¬sches Werk, seine Gou¬achen, Gemälde und Glasfenster machten ihn im 20. Jahrhundert zum „Maler der Bibel“.
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