13.03.2012 - Shakespeare Festival 2012: Reloaded!
Am 7. Juni 2012 beginnt...
mit dem 22. Shakespeare Festival im Globe Neuss ein vertrauter und doch immer neuer Reigen: Von der komödiantischen Spielmannskunst bis zur hohen Tragödie, von der kabarettistischen Auslegung bis zur experimentellen Verfremdung reicht das Spektrum dessen, was das Schaffen des Mannes aus Stratford-upon-Avon verträgt, von dem schon Friedrich Gundolf (1880-1931) salopp meinte, er könne „nicht tot gekriegt werden“. Aus sieben Ländern kommen die insgesamt sechzehn Beiträge, die binnen eines Monats über die Festspielbühne am RennbahnPark gehen werden. Den Auftakt bildet eine archaisch-drastische Inszenierung des Macbeth – aus der Sicht des Londoner Icarus Theatre, das seine zugleich finstere und farbenprächtige Abhandlung vom 7. bis 10. Juni 2012 gleich sechsmal aufführen wird. Anderes wird demgegenüber aus dem zeitgenössischen Blickwinkel betrachtet: Am 26. Juni ist der Hamlet des Regisseurs Radoslaw Rychcik zu sehen, der 2011 als beste polnische Shakespeare-Inszenierung ausgezeichnet wurde. Aus dem Nachbarland Litauen – das erstmals beim Neusser Shakespeare Festival vertreten sein wird – kommt am 2. Juli die Sturm Adaption „Miranda“ des Theatermachers Oskaras Koršunovas, den Fachleute in verschiedenen nationalen und europäischen Gremien für seine innovativen Projekte mit renommierten Preisen ausgezeichnet haben. Ein Experiment hat auch die Pariser Compagnie Magnus Casalibus im Gepäck: „Romeo et Jules yet“ von Vicianne Regattieri benutzt die Tradition, wonach auf der elisabethanischen Bühne nur Männer agieren durften - für emotionale Irrungen und Wirrungen der besonderen Art ist am 16. Juni gesorgt. Während hier die tieferen Inhalte des Begriffes „Liebe“ auf dem Prüfstand stehen, unterzieht Dan Jemmett, der im vergangenen Jahr mit einer hinreißend komischen „Comédie des erreurs“ aufwartete, jetzt die Tragik der Historie einer näheren Inspektion: Seine „Trois Richard“, die einen Richard III. spielen sollen, basieren auf der Annahme, daß selbst in dem grausigsten Geschehen genügend Komik lauert, um die böse Welt mit einem Lachen zu bezwingen (14. Juni). Eine „History“ bringt auch die beinahe schon legendäre Propeller Company aus William Shakespeares Heimat mit: Henry V., das allerblutigste unter den blutigen Rosenkriegs-Schauspielen, wie geschaffen für die vierzehn Schauspieler der Truppe, die vom 28. bis zum 30. Juni die Bühne des Globe fünfmal in ein Schlachtfeld verwandeln werden. Die bremer shakespeare company entzündet in diesem Jahr ein logistisches Feuerwerk mit einer Verlorenen Liebesmüh, die mit sage und schreibe vier männlichen Akteuren auskommt, um die Idee des Prinzen Ferdinand von Navarra, der mit seinen Freunden drei Jahre nur dem Studium leben will, ad absurdum zu führen (23./24. Juni). Am 12. Juni stellt das Rheinische Landestheater, das nur eine Neusser Hauptstraße überqueren muß, um ins Globe zu gelangen, John von Düffels „Sieben Sonette“ vor – eine szenische Realisation, die aus den poetischen Werken Shakespeares ein facettenreiches Spiel aus Utopie und Wirklichkeiten macht. Eine Woche später, am 18. und 19. Juni, ist das Neusser Ensemble dann mit dem Wintermärchen zu sehen: Dieser späten „Romanze“ über die vernichtende Wut der Eifersucht, die vor der Ewigkeit wahrer Liebe kapitulieren muß, steht als kostbarer, magischer Kontrapunkt vom 3. bis 5. Juli der Sommernachtstraum der Shakespeare Company Berlin gegenüber. Unter der Regie von Doris Harder vollzieht sich wieder einmal als zauberhaftes Wunder die Durchdringung der verschiedenen Seins-Ebenen, von denen unsere Schulweisheit nur wenig wissen will. Ein ganz handfestes Wunder mit Shakespeare hat sich zu diesem Zeitpunkt bereits ereignet – nachdem nämlich das afghanische Ensemble Roy-e-Sabs am 11. Juni bei seinem ersten Aufenthalt im Wes-ten seine Komödie der Irrungen aufgeführt hat. 2005 debütierte die Truppe im kriegszerstörten Kabul mit der „Verlorenen Liebesmüh’“, die nicht nur wegen der Vergnügung an sich, sondern vor allem auch in Anbetracht der gemischten Besetzung, in der die eine oder andere Akteurin gar unverschleiert auftrat, ein Wagnis war. Es hat sich offenbar ausgezahlt, denn Roy-e-Sabs wird nicht nur in Neuss spielen, sondern zuvor auch beim „Olympic Festival“ des London Globe auftreten. Leichteres Ge-päck und weit weniger riskante Reisewege sind der gemeinsame Nenner der Soli und Duette, mit denen das diesjährige Festspiel die großen szenischen Ereignisse gehaltvoll auflockert. Natürlich kommt Patrick Spottiswoode zu seiner gänzlich unverzichtbaren „Lecture“. Ebenfalls empfehlenswert ist der (englischsprachige) Vortrag von Jerzy Limon, dem Direktor des polnischen Theatrum Gedanense, der sich am 26. Juni mit alten und neuen Aufführungspraktiken auseinandersetzt. „Around the stage in 80 minutes“ lautet das Motto seiner Betrachtungen, zu denen sich als praktisches Exempel nicht nur der bereits erwähnte Hamlet aus dem polnischen Kielce oder das litauische Zweipersonenstück „Miranda“, sondern auch das Finale des diesjährigen Shakespeare Festivals wird heranziehen lassen: Othello – the Remix vom Chicago Shakespeare Theater be-schließt am 6. und 7. Juli mit einer Hip-Hop-Aktion der »Q-Brothers« ein Festspiel, das nach bester Tradition die schier unbegrenzte Inspirationskraft eines Dichters reflektiert, der „nicht tot gekriegt werden kann“.
Allein die Fülle der Musik, die sich schon bald nach seinem recht frühen Tod aus seinem Schaffen emporrankte, kann man alljährlich nur mit Kostproben würdigen: Die Sopranistin Elisabeth Watts und ihr Klavierpartner Simon Lepper schlagen dieses mal einen Bogen durch die Literatur von Thomas Morley über Johannes Brahms bis zu Richard Strauss (18. Juni). Und Bea von Malchus, die vor zwei Jahren mit ihren solistischen „Skizzen“ zu Heinrich VIII. das Globe bis in die Grundfesten erbeben ließ, macht am 21. und 22. Juni 2012 mit ihrem „Shake Lear!“ den bösen alten Mann samt seiner mißrathenen Brut zum Gegenstand des Narren, der endlich mal seine wirkliche Meinung über die finsteren Ereignisse sagen darf. Weitere Informationen unter www.shakespeare-festival.de oder am Info- und Kartentelefon unter 01805 065 065 (0,14 €/Min aus dem dt. Festnetz, Mobilfunknetze max. 0,42 €/Min). Start des Karten-vorverkaufs ist der 28. März 2012.
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