13.10.2014 - Ein Hirsch, zwei Flüchtlinge und die hohe See
Was haben ein Hirsch, zwei Flüchtlinge und die hohe See...
... gemeinsam? Zunächst nicht viel, doch sind sie alle Namensgeber für drei Einakter des polnischen Autors Slawomir Mrozek. Das Erwachsenen-Ensemble des Kulturforums Alte Post macht aus den drei Einzelstücken ein Ganzes. Ihre Premiere feiert die Produktion „Der Hirsch, Emigranten, Auf hoher See“ am Samstag, 25. Oktober 2014, 20 Uhr, im Kulturforum Alte Post, Neustraße 28.
Zwei Männer hocken in der Silvesternacht gemeinsam in einer Kellerwohnung. Politische und wirtschaftliche Gründe haben sie zu Flüchtlingen gemacht. Müssen „XX“ und „AA“ (dargestellt von Falk Merlin Grossmann und Holger Glasmacher) deshalb Freunde sein? Die Männer sind von ihrer Geisteshaltung her grundverschieden – aber sie teilen in der Neusser Inszenierung Erlebnisse, die selbst Mrozek in dem Einakter „Emigranten“ nie für sie vorgesehen hatte: Regisseur Sven Post verwebt mehrere Stücke seines Lieblingsautors miteinander und so kommt es, dass die Schicksalsgefährten „AA“ und „XX“ sich plötzlich in einer anderen Story wiederfinden. Eigentlich hatten sie „Auf hoher See“ im Fernseher verfolgt – doch schon teleportieren sie sich per Fernbedienung selbst auf das Floß, auf dem es ums pure Überleben geht.
Nicht zuletzt das raffinierte Bühnenbild – unter anderem mit einer fahrenden Bergbahngondel, die für die ebenfalls mitverarbeitete Story „Der Hirsch“ von Jürgen Zaun gebaut wurde – hilft dem Publikum, sich zwischen den Handlungen zurechtzufinden. Der Theaterabend verspricht optische und inhaltliche Vielschichtigkeit. Man kann ihn als unterhaltsam erleben, aber auch tiefer in die teils deftige Gesellschaftskritik einsteigen, die Sven Post bei Mrozek so reizvoll findet. „Er war zunächst selbst ein strammer Stalinist unter russischer Knute, hat dann aber später satirisch scharfe Bühnenstücke geschrieben und damit geschickt das Leben unter der Polizei-, Partei- und Staatskontrolle kritisiert. Ich finde ihn hochaktuell und freue mich, dass wir rund ein Jahr nach seinem Tod mit unseren Produktionen an ihn erinnern“, so Post. Auf der Bühne wirken rund ein Dutzend Darsteller aus den beiden Erwachsenenensembles der Alten Post mit. Seit Januar arbeiten sie an ihren Rollen und durchleben darin, was eine Gesellschaft krank macht: Gruppenzwang, Mobbing, Aufopferung und Selbstbetrug gehören dazu. Die Akteure bewegen sich auf hohem schauspielerischem Niveau, viele von Ihnen sind schon lange dabei. So wie Falk Merlin Grossmann, der seit 15 Jahren Ensemblemitglied ist. Zu den wöchentlichen Proben reist er gerne jedes Mal aus Herne an, er nimmt sich während der „heißen Phase“ der Aufführungen sogar eine Woche Urlaub von seinem eigentlichen Job, um sich ganz auf die Theaterarbeit konzentrieren zu können. „Das mache ich gerne. Ich habe schon viel ausprobiert, aber nirgends ein vergleichbar hohes Niveau wie hier in Neuss gefunden“, sagt er. Akribisch wird jetzt noch an den einzelnen Gesten, Gängen, Schlüsselszenen der Inszenierung gefeilt. Die Alte Post widmet sich Mrozek ein weiteres Mal, denn am 8. November wird erstmals die Verarbeitung der beiden Einakter „Karol“ und „Polizei“ gezeigt. Weitere Informationen und Aufführungstermine sind im Internet unter www.altepost.de erhältlich.
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