18.11.2020 - Table Top Shakespeare noch bis Ende des Jahres
Alle 36 Stücke von Shakespeare noch bis Ende Dezember online verfügbar
Am vergangenen Sonntagabend wurde das Publikum an seinen Bildschirmen Zeuge eines ungewöhnlichen Naturereignisses – als nämlich der britische Schauspieler Richard Lowdon an seinem Küchentisch das Wunder vollbrachte, mit verschiedenen Gegenständen seines Haushalts einen Sturm zu entfesseln, wie ihn der magisch begabte Prospero nicht besser hätte zustande bringen können.
Es war dies der Schlusspunkt einer neunwöchigen Reise, in deren Verlauf das einfallsreiche Theaterkollektiv Forced Entertainment sämtliche 36 Stücke, die durch das legendäre und heute wahrhaft unbezahlbare First Folio aus dem Jahre 1623 überliefert sind, in ebenso mitreißenden und plastischen wie instruktiven Nacherzählungen nach Hause gebracht hat, weil die Abendkassen und Vorhänge – wie weiland zu Zeiten der Pest oder nach dem Karneval – gegenwärtig geschlossen bleiben.
Wegen des großen Erfolgs der Serie haben sich die Verantwortlichen für die Complete Works: Table Top Shakespeare dazu entschlossen, ihre Vorstellungen, die eigentlich Ende November aus dem Netz verschwinden sollten, noch bis zum 31. Dezember 2020 zu weltweiter Nachbetrachtung online zur Verfügung zu stellen. Kein Wunder: Allein Macbeth wurde inzwischen mehr als 10.000 Mal aufgerufen – und die bisherige Gesamtbilanz lässt prognostizieren, dass die Akteure von der Insel am Jahresende sechsstellige Zuschauerzahlen erreicht haben werden.
In einfachem, überdies perfekt untertitelten Englisch ermöglicht Forced Entertainment einen Zugang zu dem magischen Universum des Barden Stratford-upon-Avon, das auch gut vierhundert Jahre nach seiner Entstehung so lebendig ist wie eh und je und damit alle Kriterien dessen erfüllt, was man gern als „ewige Kunst“ bezeichnet.
Dass dabei anstelle „lebendiger“ Ensembles jeweils nur ein „Erzähler“ agiert, um mit Fenchelknollen, Whiskeyflaschen, Zahnpastatuben und unzähligen anderen Dingen des Alltags die Geschichten um Liebe, Lust, Leidenschaft, Machthunger, Intrigen und komische Verwirrungen zu spielen, tut der Sache keinen Abbruch: Die geradezu suggestive Fähigkeit des jeweiligen „spiritus rector“, in Windeseile in immer neue Rollen zu schlüpfen, unbeseelte Materie mit prallen Emotionen zu erfüllen und dergestalt mit individuellen Charaktermerkmalen auszustatten – das ist der Schlüssel zu dem Erfolgskonzept dieses „Tischplattentheaters“. Wenn Prospero dann am Schluss des Sturms, dieses Mal in Gestalt einer zauberhaften Flasche, als letzte Figur auf der Bühne bleibt, weil er erst nach genügendem Applaus „ab durch die Mitte“ gehen kann – dann klatschen man unwillkürlich in die Hände. Und die Serie ist zu Ende.
Nachzuschauen sind alle Aufführungen unter www.shakespeare-festival.de oder www.forcedentertainment.com noch bis zum 31.12.2020.
(Stand: 18.11.2020/Spa)
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