28.01.2022 - Förderprojekt lieferte wichtige Erkenntnisse für das „Stromnetz der Zukunft“ in Neuss

Forscher der Universität Wuppertal haben im Feldtest „Electric City Neuss“ den eigens entwickelten ElCiNRegler erprobt

Unter dem Namen „Electric City Neuss“ (ElCiN haben die Stadtwerke Neuss mit der Stadt Neuss und der Bergischen Universität Wuppertal in den vergangenen drei Jahren ein großes und innovatives Forschungsprojekt zur Stromversorgung der Zukunft gestartet), welches aus Mitteln
des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) gefördert wurde. Das Projekt wurde aus dem Fonds für regionale Zusammenarbeit der EU und vom Land Nordrhein-Westfalen gefördert. Ziel war es, ein ganzheitliches Quartierskonzept zu konzipieren und umzusetzen. Der theoretische Ansatz für das „Stromnetz der Zukunft“ war dabei die Sektorenkopplung, das heißt die Zusammenführung der Sektoren Strom, Gas, Mobilität und Wärme. Die Ergebnisse wurden jetzt im Rahmen eines öffentlichen Video-Meetings vorgestellt.

„Intelligenz statt Kupfer“
Das Forschungsprojekt kommt zu dem Ergebnis, dass für die Energiewende eine intelligente Vernetzung der verschiedenen Sektoren ein wesentlicher Faktor werden kann. Ein massiver und somit teurer Netzausbau könnte durch die Nutzung von Flexibilitäten verhindert werden. Prof.
Dr.-Ing. Markus Zdrallek, Lehrstuhlleiter für Elektrische Energieversorgungstechnik an der Bergischen Universität Wuppertal, brachte es mit wenigen Worten auf den Punkt. „Intelligenz statt Kupfer. Ein Algorithmus plant das Stromnetz kontinuierlich vor, liefert Prognosen und ein
vollautomatisierter Regler („ElCiN-Regler“) schaltet sich dann ein und nimmt bei Bedarf Leistung von flexiblen Anlagen (Flexibilitätsoptionen) vorrübergehend vom Netz.“ Im Forschungsprojekt ElCiN wurde die Netz-Gebäude-Interaktion, u. a. im Wohngebäudesektor, untersucht. Hier bildet bspw. ein Wohngebäude mit seinen Erzeugungsanlagen wie Photovoltaikanlagen und Flexibilitätsoptionen wie Batteriespeicher, Wallbox oder Wärmepumpe eine Einheit und stellt dem Netz Erzeugungsund Verbrauchsprognosen und Flexibilität zur Verfügung. Der ElCiN-Regler, welcher die Intelligenz des Netzes darstellt, nimmt diese Informationen auf und prognostiziert
den Zustand des Stromnetzes. Im Falle eines Netzengpasses, also eines Problems im Stromnetz, prüft der ElCiN-Regler den Einsatzder ihm zur Verfügung stehenden Flexibilität und nutzt diese zur Behebung des Netzengpasses.

Der ElCiN-Regler hat den Feldtest im Neusser Stadtteil Allerheiligen bestanden: Prognosewerte und reale Messwerte deckten sich weitgehend. „Das ElCiN-System hat seine Praxistauglichkeit deutlich unter Beweis gestellt“, so das Fazit des Wuppertaler Forscherteams. Für den Feldtest
waren den Teilnehmern in einem engen Bereich auch Ladesäulen zur Verfügung gestellt worden. Die Erkenntnisse aus den gemessenen rund 900 Ladevorgängen lieferten wichtige Erkenntnisse zum Nutzerverhalten und flossen in das Forschungsprojekt ein.

Hohe Anforderungen an das System
Im Vorfeld hatten die Projektbeteiligten unter der Führung der Stadtwerke Neuss eine Reihe von Eckdaten definiert und schlussendlich auch umgesetzt. So hatten die Anschlussnehmer jederzeit die Kontrolle über ihre Anlagen wie Wallboxen oder PV-Anlagen. Ungewollte Komfortverluste konnten so vermieden werden. Schnittstellen wurden definiert und der Datenaustausch möglichst geringgehalten. Das ganze System lief vollautomatisiert und funktioniert schon in der Übergangsphase zum „Smart Grid“ (intelligentes Stromnetz).

Bürgerbeteiligung kam gut an
Begleitet wurde das Forschungsprojekt durch Beteiligungsformate der Stadt Neuss. Zu einer
Informationsveranstaltung vor zwei Jahren (26.2.2020) kamen über 200 Anwohner in die Grundschule von Neuss-Allerheiligen. Aus diesem Kreis heraus konnten schließlich elf konkrete Feldtestteilnehmer gewonnen werden, die durch Bereitstellung von Flexibilität bzw. Messdaten aktiv am Feldtest teilgenommen haben. In diesem Kontext konnte die Stadt auch wertvolle Erkenntnisse für innovative Mobilitätsstrukturen gewinnen. Diese sehen für Jahr 2050 alleine in Allerheiligen rund 3.000 E-Autos und bis zu 2.500 Ladepunkte vor. Hieraus abgeleitet geschieht derzeit eine Konzeptionierung der öffentlichen Ladeinfrastruktur für die gesamte Stadt Neuss.

Projektfazit ElCiN
Durch die Nutzung lokaler Flexibilitätspotentiale und dem Einsatz von Sektorenkopplungs- und Speichertechnologien werden die Erneuerbaren Energien effizienter in die Netze integriert und die Aufnahmekapazität der Netze kann zudem erhöht werden. Zusätzlich können Mobilitätskonzepte und die Implementierung einer Ladeinfrastruktur in Quartieren dazu beitragen, die Lärm- und Treibhausgasemissionen zu verringern. Erkenntnisse die aus dem Neusser Feldtest im Stadtteil Allerheiligen auch auf andere Städte und derenNetze übertragen werden können. Die Nutzungsdaten von eigens für ElCiN installierten Ladesäulen lieferten wichtige Daten für die Forscher.

Förderung
Das Forschungsprojekt ElCiN ist ein aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) 2014-2020 „Investitionen in Wachstum und Beschäftigung“ und dem Land Nordrhein-Westfalen gefördertes Forschungsvorhaben. Die Gesamtfördersumme beträgt 1,26 Mio. Euro.